Ständig müde und erschöpft
Fühlen Sie sich tagsüber ständig müde und erschöpft, obwohl Sie gut geschlafen haben
Fehlt Ihnen nach Feierabend die Kraft für Sport, Familie oder Freunde?
Ist Ihre innere Batterie leer, sodass der Alltag nur noch auf Reserve läuft?
Das kann – neben anderen Ursachen – am Darm liegen.
Müdigkeit im Alltag: Das typische Muster
Viele Betroffene kennen das: Der Kopf fühlt sich „wattig“ an, Entscheidungen brauchen länger und selbst kleine Aufgaben ziehen sich in die Länge. Nach dem Essen nimmt die Trägheit zu, der Bauch fühlt sich voll an oder ist gebläht und der Stuhlgang ist unruhig. Oft heißt es: „Ich komme morgens nicht in Schwung und abends bin ich wie abgeschaltet“, obwohl man gut geschlafen hat. Nicht selten ist auch die Stimmung getrübt. Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, lohnt sich ein Blick auf den Verdauungstrakt.
Warum der Darm den Antrieb beeinflusst
Nährstoffversorgung
Der Darm ist entscheidend dafür, wie zuverlässig Nährstoffe in unseren Körper gelangen. Gerät die Darmflora aus dem Gleichgewicht (Dysbiose) oder ist die Schleimhaut gereizt, kann die Aufnahme wichtiger Mikronährstoffe leiden, zum Beispiel von Eisen, Vitamin B12, Folat und B-Vitaminen. Einige dieser Vitamine (B-Vitamine und Vitamin K₂) werden zudem von Darmbakterien bereitgestellt. Eine suboptimale Versorgung zeigt nicht immer klassische Mangelzeichen, kann aber den Antrieb dämpfen.
Stille Entzündung
Zugleich kann eine niedriggradige, stille Entzündungsaktivität das Immunsystem ständig beschäftigen. Bestandteile bestimmter Darmbakterien (LPS-bildende Bakterien) reizen das Immunsystem – vor allem, wenn die Darmschleimhaut durchlässig ist („Leaky-Gut-Syndrom“). Wenn das Immunsystem ständig beschäftigt ist, fühlen wir uns müde. Auch das Mikrobiom selbst beeinflusst Stoffwechsel- und Botenstoffwege, die sich auf Stimmung, Schlafqualität und Belastbarkeit auswirken.
Wann an den Darm gedacht werden sollte
Zunächst sollten häufige Ursachen von Müdigkeit und Erschöpfung ausgeschlossen werden. Blutbild, Eisen/Ferritin, Vitamin B12, Folat, Vitamin D und Schilddrüsenwerte. Auch ein Blick auf mögliche Medikamentennebenwirkungen lohnt sich. Sind diese Bereiche unauffällig und bestehen leichte Magen-Darm-Beschwerden (Blähbauch, Völlegefühl, wechselnde Stuhlgewohnheiten, Unverträglichkeiten) oder schwankt die Müdigkeit rund um die Mahlzeiten, ist der Darm ein plausibler Mitfaktor.
Einordnung und Diagnostik
Ein hochsensitives CRP (hs-CRP) kann auf eine stille Entzündungsaktivität hinweisen (vor der Blutabnahme bitte keine intensive Belastung).
Bei gastrointestinalen Beschwerden helfen Stuhlmarker wie Calprotectin, um Entzündungen einzuschätzen, sowie kontextbezogene Parameter, die auf die Barrierefunktion hinweisen (z. B. Zonulin, Alpha-1-Antitrypsin, I-FABP). Wenn sinnvoll, kann auch eine Mikrobiomanalyse durchgeführt werden.
Bei Verdacht auf Intoleranzen (Fruktose, Laktose, Sorbit) geben Atemtests Orientierung. Je nach Bild folgen weitere, gezielt ausgewählte Untersuchungen.
Behandlung: pragmatisch und individuell
Die Behandlung richtet sich nach den Befunden und setzt mehrere Hebel an – mit dem Ziel, den Darm wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Die Darmbarierre sollte stabilisiert werden
Im Vordergrund stehen eine gut verträgliche, ballaststoffreiche Ernährung und – je nach Befund – die zusätzliche Einnahme von L-Glutamin, kurzkettigen Fettsäuren (Butyrat), Lecithin, Zink oder Vitamin A. So wird die Darmbarriere beruhigt und dichter.
Ursachen behandeln
Wenn die Ursache gefunden wurde, ist es wichtig, diese zu behandeln. Beispielsweise können bei einer schwächeren Verdauungsleistung (exokrine Pankreasinsuffizienz) Enzyme zur Unterstützung der Verdauungsleistung eingesetzt werden.
Darmmilieu verbessern
Eine vielfältige Pflanzenkost und ggf. präbiotische Komponenten fördern günstige Bakterien. In einigen Fällen kann auch eine FODMAP-Diät oder eine antientzündliche Ernährung sinnvoll sein. Auch der pH-Wert des Darms spielt eine Rolle und wird in die Strategie einbezogen.
Entzündungen reduzieren
Zeigen sich Reizzustände, können pflanzliche Entzündungsmodulatoren wie Kurkuminoide, Quercetin oder Berberin als Baustein im Gesamtkonzept erwogen werden.
Nährstofflücken schließen
Bestehende Mängel werden gezielt und ausreichend lange ausgeglichen. Parallel wird die Medikation überprüft. Manche Präparate fördern Müdigkeit oder beeinflussen die Nährstofflage.
Was realistisch ist und wie sich Fortschritte zeigen
Der Darm reagiert in Wochen, nicht in Tagen. Es ist wichtig, eine realistische Erwartungshaltung zu haben und Geduld aufzubringen.
Wer ausreichend schläft, aber dauerhaft energielos ist und zudem subtile Verdauungssignale oder Leistungseinbrüche nach Mahlzeiten verspürt, sollte den Darm als möglichen Mitverursacher prüfen lassen. Die Verbindung ist physiologisch schlüssig. Mit überschaubarer Diagnostik und einer individuell angepassten, alltagstauglichen Behandlung können sich Müdigkeit und Erschöpfung bessern.